Viel Geld. Erfolg im Beruf. Viele Freunde. Tolle Häuser, Autos, Reisen … Sind das die Dinge, die glücklich machen? Nein. Und das ist nicht etwa aus Trotz hingeschrieben von einem Neider. Vielmehr ist es doch so: Wer sein Glück nach Statussymbolen bemisst, wird nie glücklich sein.
Nach dieser Logik will nämlich, wer Abteilungsleiter ist, unbedingt Geschäftsführer sein. Wer Porsche fährt, schielt nach einem Ferrari. Wessen Villa drei Bäder hat, hält bald ein viertes für unverzichtbar. Und wer die Luxus-Lodge in Afrika bucht, wäre noch lieber auf einer Privatinsel in der Südsee.
Glücklich ist vielmehr, wer bescheiden ist. Diese weise Definition legen die Vereinten Nationen zugrunde. Sie haben soeben Finnland zum dritten Mal in Folge zum glücklichsten Land der Welt erkoren. Je geringer die Erwartungen, desto kleiner fallen auch Enttäuschungen aus. Wenige Sozialkontakte und einsame Spaziergänge in entlegenen Wäldern: Was die Menschen in West- und Südeuropa
binnen weniger Tage an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit bringt, ist – mindestens außerhalb von Helsinki
– finnischer Alltag. Weshalb sollten sich Finnen außerdem über entfallene Champions-League-Spiele grämen, wenn ihre
Teams sogar in der Europa League längst ausgeschieden sind?
Dass der Winter mild ausgefallen ist, hebt die Stimmung in polaren Breiten ebenfalls. Auf zweistellige Minusgrade und eine geschlossene Schneedecke noch im Mai können sie in Finnland mutmaßlich gut verzichten. Wohingegen zweitausend Kilometer weiter im Süden ein Winter ohne einen einzigen Schlittentag eine ganze Generation Grundschüler und Kindergartenkinder frustriert hat.
Zuletzt: In Finnlands Tourismusbranche gibt es wenig, das zusammenbrechen könnte. Nadelwald statt Palmenhain, bewölkter Himmel anstelle gleißender Sonne, dazu eine Küche, die international nicht ohne weiteres vermittelbar ist: Finnland läuft nicht Gefahr, von der Tourismusindustrie als Paradies ausgerufen zu werden. Die Finnen haben damit seit jeher ihren Frieden gemacht. Sie heißen Gäste willkommen, entwürdigen sich aber nicht, um welche anzulocken. Sie brauchen von nichts immer noch mehr. Sie haben genügend Saunen für jeden, die Weite des Meeres um ihr Land herum ist unermesslich, und sie lieben ihre Form des Tangos. Weshalb also sollten sie Salsa tanzen? Wenn es wieder möglich ist, sollte man Finnland dringend besuchen.
Text von Stefan Fischer, erschienen in der Süddeutschen Zeitung, REISE, Donnerstag, 26. März 2020
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