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Tote Igel und verlassene Kinder – Briitta Hepo-oja im Interview

Wie steht es um die phantastische Literatur in Finnland? Wie bringt man das Schreiben und den Hauptberuf unter einen Hut? Und ist die Pubertät eigentlich prädestiniert für das Phantastische? Ein Gespräch mit Briitta Hepo-oja.

von MoinMoiNews , 16.05.2018 — 0 Kommentare

Briitta Hepo-oja © Riika Siivonen



Am 11. Mai kam die finnische Autorin Briitta Hepo-oja zur Präsentation der Anthologie Neue Nordische Novellen VI nach Greifswald. 1988 im nordfinnischen Kuusamo geboren, zog sie nach dem Studium der Literaturwissenschaft in Oulu nach Helsinki, wo sie derzeit lebt und arbeitet. Sie schreibt vor allem Kinder- und Jugendromane. Ihr erstes Buch Siilin kuolema (dt. Der Tod des Igels) erschien 2015, zwei Jahre später Hylättyjen lasten kaupunki (dt. Die Stadt der verlassenen Kinder). Daneben schreibt sie Kurzgeschichten, die in Onlinezeitschriften veröffentlicht wurden. Bevor es am Abend zur Lesung ging, gab es morgens erst einmal eine Tasse heiße Schokolade und eine Menge Fragen…


Wann hast du mit dem Schreiben angefangen und was bedeutete es dir damals?


Ich habe mit etwa sieben Jahren mit dem Schreiben begonnen. In Finnland gehen die Kinder üblicherweise mit sieben Jahren in die Schule und lernen spätestens dann zu schreiben. Bei mir kam dann auch die Begeisterung dafür. Ich habe mir schon vorher Geschichten ausgedacht, aber dann konnte ich sie endlich zu Papier bringen. Es macht mir Spaß, mir Dinge auszudenken und meine Phantasie zu nutzen.


Du erwähntest ja, dass es in deinem Heimatort nicht allzu viele Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung gab.


Ich komme aus Kuusamo, einem kleinen Ort in Nordfinnland. Dort gab es tatsächlich nicht viele Kulturveranstaltungen oder Möglichkeiten, einem besonderen Hobby nachzugehen. Aber eine Bücherei hatten wir und als ich klein war, hat meine Mutter uns oft vorgelesen. Dadurch begeisterte ich mich für Bücher und wollte auch selbst schreiben.


Und was bedeutet dir das Schreiben heute?


Es macht mir immer noch sehr viel Spaß. Ich möchte solche Geschichten schreiben, die ich selbst gerne lese. Aber es ist auch eine ernstere Sache geworden. Als Kind hat man nur für sich selbst geschrieben und vielleicht noch für den einen oder anderen Freund. Wenn man möchte, dass mehr Leute die eigenen Texte lesen, muss man sich auch mehr Gedanken darüber machen, ob sie interessant genug sind. Als Kind ist Schriftsteller ein Traumberuf, aber man versteht noch nicht, wie viel Arbeit dahintersteckt, dass man üben, überarbeiten und fortwährend dazulernen muss.


Wie hast du deine Schreibfähigkeiten entwickelt?


Zuerst einmal haben wir in der Schule im Finnischunterricht viel geschrieben. Die Lehrer hatten da eher Aufsätze im Sinn, aber ich habe immer lieber phantastische Geschichten geschrieben. In den höheren Jahrgängen wurden dann Kurse in kreativem Schreiben angeboten, und wann immer sich die Gelegenheit bot, habe ich einen solchen Kurs besucht. Wirklich angefangen, meine Schreibfähigkeiten zu entwickeln, habe ich aber erst, als ich nach Oulu zog.


Ist es in Finnland einfach, Schriftsteller zu werden?


So ganz einfach ist es nicht, vor allem, wenn man bei einem großen Verlag veröffentlicht werden möchte. Die bekommen oft tausend Manuskripte im Jahr und nehmen davon nur eines oder zwei. Wer mit Kurzgeschichten anfängt, hat aber durchaus eine Chance, sie zum Beispiel in Onlinezeitschriften zu veröffentlichen. Wenn man es mit dem Schreiben ernst meint, dann denke ich, dass man es auch irgendwann schafft.


In Finnland gibt es ja solche Zeitschriften wie Usva.


Ja, in Finnland gibt es viele Zeitschriften für Fantasy und Science Fiction. Für realistische Kurzgeschichten ist es vielleicht schwieriger, eine Zeitschrift zu finden. Von denen gibt es weniger, denke ich.


Gibt es Schreibwettbewerbe für phantastische Geschichten?


Es gibt zwei Wettbewerbe, die in regelmäßigen Abständen veranstaltet werden, nämlich Nova und Portti. Ich glaube, einer ist nur für Schriftsteller, die bisher noch nichts veröffentlicht haben. Auch sonst gibt es oft kleinere Wettbewerbe. Manchmal veranstalten Verlage Wettbewerbe für Romanmanuskripte. Im Herbst ist dem Hörensagen nach ein Wettbewerb für Horrormanuskripte geplant. Ich selbst schreibe keine Horrorgeschichten, aber einige meiner Freunde nehmen vielleicht teil.


Du schreibst auch auf deinem Blog und arbeitest mit anderen Schriftstellern zusammen, zum Beispiel, indem ihr gegenseitig eure Texte kommentiert.


Blogs sind gar nicht mehr so sehr beliebt, heute benutzen alle eher Twitter und Facebook. Als ich angefangen habe, war das Bloggen noch sehr verbreitet. Es gab viele Schreibblogs, unter denen ich dann Freunde gefunden habe, mit denen ich zusammen schreiben konnte. Wir wurden zu einer Gruppe von Autoren, von denen einige bereits Bücher veröffentlicht hatten. Wir geben uns gegenseitig Rückmeldung und Verbesserungsvorschläge zu geschriebenen Texten.


Hast du auch schon einmal einen Text mit jemandem zusammen geschrieben?


Ja, das war eine Kurzgeschichte, die in der Onlinezeitschrift Ursula veröffentlicht wurde. Das hat wirklich Spaß gemacht. Ich denke, dass es bei einer Kurzgeschichte gut klappt, aber bei einem längeren Roman weiß man das nie so genau.

Du schreibst ja nicht hauptberuflich. Welche Herausforderungen sind damit verbunden, dass man das Schreiben neben dem eigentlichen Job betreibt?


Man hat immer zu wenig Zeit. Bei mir ist es so, dass meine Arbeitszeiten variieren. Ich schreibe gerne abends, aber wenn ich von der Arbeit komme, bin ich zu müde, und morgens kann ich wiederum nicht gut schreiben. Das Schreiben geht also langsamer, weil man viel zu tun hat. Andererseits denke ich, dass ich nicht viel zu Papier bringen würde, wenn ich tatsächlich den ganzen Tag zur Verfügung hätte. Das wäre dann zu viel freie Zeit.


Schreibst du denn eher einmal die Woche zwei Stunden oder jeden Tag, dafür dann aber nur zwanzig Minuten am Stück?


Das ist ganz unterschiedlich. Meist versuche ich, jeden Tag ein bisschen zu schreiben, und an einem freien Wochenende dann mehrere Stunden am Stück. Im April habe ich am Camp NaNoWriMo teilgenommen, da musste ich jeden Tag viel schreiben. Aber das ist für mich eher die Ausnahme.


Du gehörst eher nicht zu den Autoren, die schnell schreiben. Woran könnte das liegen?


Das weiß ich nicht so genau. Als Kind habe ich schneller geschrieben, aber mit dem Älterwerden hat sich auch mein Schreibtempo aus irgendeinem Grund verringert. Vielleicht kommt es daher, dass man sich selbst beim Schreiben kritisiert und den Text öfter ändert. Für mein erster Buch habe ich mehrere Jahre gebraucht.


Du schreibst momentan vor allem für Kinder und Jugendliche. Wie kam es dazu?


Das hat sich für mich einfach immer am besten angefühlt. Ich denke, dass Kinder- und Jugendliteratur sehr wichtig ist und lese auch viel in dieser Richtung.


In den skandinavischen Ländern und in Finnland scheint es generell viel gute Literatur für Kinder und Jugendliche zu geben, die auch ernstere Themen behandelt.


Das stimmt. Ein Problem ist aber, dass die Jugendlichen wenig finnische Bücher lesen und lieber zu übersetzter Literatur greifen.


Dem Fantasy-Genre geht es in Finnland ja ähnlich.


Die Lage hat sich aber gebessert. Heute gibt es mehr finnische Fantasy. In einem Schreibkurs bekam ich einmal die Rückmeldung, dass mein Text sich anhöre, als sei er übersetzt worden. Da habe ich einen Schreck bekommen und in den folgenden Jahren fast nur finnische Texte gelesen. Das hat sich aber wieder gegeben. Heute lese ich ganz verschiedene Texte.


Also liest du auch viel finnische Phantastik?


Ich bemühe mich, aber ich bin eine langsame Leserin – und das, obwohl ich in der Bibliothek arbeite! Ich lese gerne Fantasy, manchmal Science Fiction und auch realistische Texte, aber am liebsten Jugendliteratur und Young Adult.


In Finnland scheint die phantastische Strömung Suomikumma gerade sehr beliebt zu sein.


Ja, viele Leute organisieren sogar selbst Veranstaltungen. Das ist eine ganze Subkultur.


Das ist doch eine gute Entwicklung! Phantastische Literatur bekommt ja oft den Stempel aufgedrückt, nur für Kinder zu sein oder allein das Bedürfnis nach Eskapismus zu bedienen, also weniger wert zu sein als „echte“ Literatur.


Das ist in Finnland immer noch so. Ich selbst schreibe gerne für Kinder, aber manche Autoren, die phantastische Literatur für Erwachsene schreiben, machen die Erfahrung, dass die Verlage ihre Geschichten als Kinderbücher verkaufen wollen. Bei einigen scheint noch die Vorstellung vorzuherrschen, dass Erwachsene keine Phantastik lesen, auch wenn sie es natürlich tun.


Kommen wir noch einmal auf die Jugendliteratur zurück. Der Hauptcharakter in deinem ersten Buch Siilin kuolema entschließt sich, vegetarisch zu leben, interessiert sich für den Tierschutz und versteht nicht, wie die Erwachsenen so gleichgültig durchs Leben gehen können. Das alles beschreibst du sehr einfühlsam aus seiner Perspektive. Wie bist du auf die Idee zu diesem Buch gekommen?


Ich bin selbst keine Vegetarierin, aber ich habe als Jugendliche oft darüber nachgedacht. Arttu, der Hauptcharakter, ist dann einfach aufgetaucht und ich wollte unbedingt eine Geschichte über ihn schreiben.

Arttus Familie ist sicher auch ein Punkt, mit dem sich viele Leser identifizieren können.


Ich wollte über Familie und Geschwister schreiben, weil ich meine eigenen Geschwister als wichtigen Teil meines Lebens erlebe.


Würdest du denn sagen, dass die Pubertät besonders geeignet ist für phantastische Erzählungen, sowohl von Seiten der Leser als auch der Figuren?


Das kann gut sein. Oft entdeckt der Hauptcharakter in diesen Büchern ja gerade in der Pubertät, dass er zum Beispiel etwas Besonderes geerbt hat.


An diesem Punkt im Leben ist das Element der Grenzüberschreitung von besonderer Bedeutung – vom Kind zum Erwachsenen und aus der Realität in die phantastische Welt. Phantastische Geschichten bieten sich vielleicht auch zum Darstellen und Verhandeln der Gefühle an, die damit verbunden sind, denn Jugendliche haben in dieser Zeit meist noch nicht die Fähigkeit, reflektiert über ihre Gefühle zu sprechen. Nun aber zurück in die reale Welt. Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus? Du schreibst gerade an deinem dritten Buch?


Ja, es soll ein Alternative History-Roman werden, der in Finnland spielt. Solche Geschichten sind zur Zeit beliebt. Ich versuche aber, keine Dystopie zu schreiben. Die Hauptfigur ist 18 Jahre alt, also lässt sich die Geschichte wohl auch als YA klassifizieren. Außerdem möchte ich aus dem Projekt eine Trilogie machen. Das wäre das erste Mal, dass ich eine Fortsetzung zu einem meiner Bücher schreibe.


Und danach?


Wenn ich dieses Projekt abgeschlossen habe, schreibe ich vielleicht wieder mehr Kurzgeschichten. Lange Romane kosten einfach sehr viel Zeit. Ich bin schon gefragt worden, ob ich eine Fortsetzung zu Hylättyjen lasten kaupunki schreibe. Das wäre eigentlich auch eine Möglichkeit, die sich erwägen ließe.


Vielen Dank für das Interview!

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