Close

Anmelden

.

Passwort muss zwischen 8 und 64 Zeichen lang sein

.
Passwort vergessen

Noch kein Benutzerkonto Registrieren

Pirkko Saisio bei den Nordischen Literaturtagen in Hamburg

Pirkko Saisio, ein nicht wegzudenkendes Gesicht der finnischen Kulturlandschaft, war am Montag zu Gast bei den Nordischen Literaturtagen in Hamburg. Im Gespräch mit Übersetzerin Elina Kritzokat über das jetzt auch auf Deutsch erschienene "Rote Buch der Abschiede" eröffnete sie das diesjährige Programm.

von ChrisS , 24.11.2023 — 0 Kommentare

Pirkko Saisios "Punainen erokirja" © Christoph Scheike

20 Jahre, nachdem Pirkko Saisios "Punainen erokirja" den Finlandia-Preis, also einen der renommiertesten Preise der finnischen Literaturlandschaft gewann, ist das Werk in deutscher Übersetzung von Elina Kritzokat unter dem Titel "Das rote Buch der Abschiede" erschienen. Bei den Nordischen Literaturtagen gab sie am Montag einen Einblick in die autobiografischen Hintergründe des Textes und betonte dessen Aktualität - auch 20 Jahre später noch.
 

Ein Roman über Herkunft und das Finden der eigenen sexuellen, politischen und künstlerischen Identität



 "Punainen erokirja" spielt größtenteils im Helsinki der 1970er Jahre und damit zu einer Zeit, in der Homosexualität in Finnland noch als Verbrechen eingestuft war. Hauptprotagonistin ist die junge Pirkko, Tochter einer Arbeiterfamilie, die in diesem Umfeld ihren Weg sucht. Sie verliebt sich in eine Kommilitonin - ein Befreiungsschlag für sie, doch was macht es mit dem Verhältnis zu ihrer Familie? Selbstbewusstsein hinsichtlich ihres Werdegangs findet sie schließlich am Helsinkier Studierendentheater, doch wie kann sie ihre sexuelle Identität mit dem kommunistischen Geist am Theater vereinen? Zwischen intensiven Theaterproben, dem Voranbringen der kommunistischen Revolution und queerem Leben in Helsinkier Untergrundbars erzählt der Text von Abschieden, die unumgänglich sind, um die eigene Identität zu finden. Dabei erkundet der Text die Ambivalenz vieler Beziehungen, mit denen sich die Protagonistin auseinandersetzen muss: das Loslösen von den Eltern gegen die Liebe zu ihnen, das Hängen an der Liebe gegen das Wissen um deren Unerreichbarkeit - und wer ist Pirkko als lesbische Frau, wenn sie keine Kriminelle mehr ist?

Auch wenn die politischen Voraussetzungen heute andere sind als zu der Zeit der Geschehnisse im Roman, wirkt der Text höchst aktuell. Und so betonte auch Pirkko Saisio in ihrem Gespräch mit Elina Kritzokat, dass die deutsche Übersetzung vielleicht genau zu einem Zeitpunkt erscheint, an dem es wieder nötiger ist, über die Themen des Romans zu sprechen. Das gesellschaftliche Klima ändere sich und spitze sich zu, und so seien die Möglichkeiten für queere Menschen, ihre Identität frei zu erkunden und auszuleben, wieder stärkerem Gegenwind ausgesetzt als zum Beispiel noch vor zehn Jahren.

Ein Text vielfältig wie seine Autorin



Thema des Gesprächs war auch die Natur des Textes, und Pirkko Saisio nannte in diesem Kontext schnell selbst den Genrebegriff der Autofiktion, sie arbeitet darin also autobiografische Inhalte in Romanform auf. Zu autofiktiven Texten gehört durch den Rahmen der Fiktion immer ein gewisser Grad der Inszenierung, Entfremdung und Abänderung des wirklich Erlebten, und Pirkko Saisio gelingt die Stilisierung ihres Textes in eindrucksvoller Form. Er zeichnet sich aus durch seine Fragmentalität, abgehackte, kurze Sätze wechseln sich ab mit eindrucksvollen, szenischen Beschreibungen, dazwischen Dialoge und Passagen, in denen fast an Requisiten im Theater erinnernd anhand von Gegenständen im Text Stimmung erzeugt wird. Hier zeigt sich vielleicht die vielfältige Laufbahn der realen Person Pirkko Saisio, die neben Romanen auch Theaterstücke und Fernsehserien geschrieben hat sowie als Professorin für Dramaturgie und als Regisseurin tätig war.

In seiner Komplexität ist der Text durch seine Themen trotzdem sehr zugänglich und zieht schnell in seinen Bann, und die autobiografischen Inhalte zeichnen ein spürbares Bild von den herrschenden Einstellungen zu der Zeit. Saisio, die, wie sie im Gespräch erzählte, bereits in den 70ern an heimlichen Treffen in Helsinkier Kellern teilnahm, hat die Angänge des queeren Aktivismus in Finnland hautnah miterlebt. Die Preissumme, die Pirkko Saisio für den Erhalt des Finlandia-Preises 2003 erhielt, spendete sie übrigens vollständig an SETA, eine finnischen Menschenrechtsorganisation, die sich für die Rechte queerer Menschen einsetzt.  "Das rote Buch der Abschiede" gehört zu zu einer autofiktiven Trilogie, aus der bereits eine zweite deutsche Übersetzung, "Gegenlicht" für das Frühjahr 2024 angekündigt ist. Endlich wird Pirkko Saisio, eine faszinierende Persönlichkeit der finnischen Kulturlandschaft, also auch dem deutschen Publikum bekannter.

Kommentare

Um zu kommentieren bitte Anmelden

Fail GraphicBitte überprüfe deine Angaben. Vielen Dank.

Success RocketHat geklappt. Vielen Dank.

Cookie Warnung

Akzeptieren Für statistische Zwecke und um bestmögliche Funktionalität zu bieten, speichert diese Website Cookies auf Ihrem Gerät. Das Speichern von Cookies kann in den Browser-Einstellungen deaktiviert werden. Wenn Sie die Website weiter nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.