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Elina Kritzokat im Interview

Ende November bekam die Übersetzerin Elina Kritzokat den staatlichen ausländischen Übersetzerpreis vom finnischen Ministerium für Bildung und Kultur verliehen. Die Chefredaktion der Deutsch-Finnischen Rundschau interviewte sie in der September-Ausgabe.

Lesen Sie hier „Es gilt eben, auch zwischen den Kulturen zu übersetzen“ – Elina Kritzokat im Interview.

von dfgliest , 13.12.2019 — 0 Kommentare

Elina Kritzokat © privat

Die letzte DFR war relativ frisch erschienen, da erreichte uns eine E-Mail von Elina Kritzokat, die gerne die Verwunderung unseres Rezensenten Daniel Wellinghausen über die „fehlenden Stellen“ in der Übersetzung von Miika Nousiainens „Verrückt nach Schweden“ auflösen wollte. Wer könnte das auch besser als sie, wo sie den Text doch übersetzt hat? Wir von der Chefredaktion waren hellauf begeistert von der sympathischen E-Mail, die Einblicke in den Literaturbetrieb gab, die uns neu waren. Und kurz entschlossen fragten wir nach: Ob sich daraus nicht vielleicht ein ganzes Interview ergeben könne? Konnte es! Mit Elina Kritzokat sprach für die DFR Saskia Geisler.

DFR: Was ist für Sie das Besondere am Übersetzen?
EK: Für mich ist diese Arbeit wunderschön. Es ist ja so, dass uns Binationalen immer irgendetwas ein bisschen fehlt. Ich habe das größere soziale Netz in Deutschland, bin hier zur Schule und in die Uni gegangen. Doch gleichzeitig mag ich eben Vieles an der finnischen Kultur und habe auch beide Staatsangehörigkeiten. Durch das Übersetzen kommen beide Pole, das Finnische und das Deutsche, auf meinem Schreibtisch zusammen, und das gibt mir eine gewisse Ruhe. Ich empfinde es außerdem als extrem befriedigend, als kulturelle Vermittlerin tätig zu sein.

DFR: Wie würden Sie Ihren Alltag als Übersetzerin beschreiben?
EK: Als Freiberuflerin habe ich keine festen Strukturen, sondern nur die Deadlines von den Verlagen. Das bedeutet, ich brauche sehr viel Selbstdisziplin. Ich versuche, eine Angestelltenwoche nachzubilden; meine Übersetzungszeit liegt dabei überwiegend in der ersten Tageshälfte, außerdem fällt natürlich auch Büroarbeit an, E-Mails, Telefonate, Rechnungen schreiben und all so etwas.

DFR: Und wie müssen wir es uns vorstellen, wie es abläuft, wenn ein Verlag mit einem Übersetzungsauftrag auf Sie zukommt? Lesen Sie dann erst das gesamte Buch und schauen, ob es zu Ihnen passt?
EK: Generell ist dazu zu sagen, dass es heutzutage tatsächlich v.a. so herum ist, dass die Aufträge zu mir kommen. In der Anfangszeit allerdings – und so geht es den meisten Kolleginnen und Kollegen, wenn sie Fuß fassen wollen – habe ich mir selbst finnische Herzensprojekte ausgesucht und diese bei deutschen Verlagen vorgestellt in der Hoffnung, dass die sie einkaufen und mich als Übersetzerin beauftragen. Das sind dann Projekte, die man liebt und mit denen man schon „per du“ ist, wenn man sie den Verlagen anbietet. Heute lese ich einen Text nur kurz an und weiß oft schon nach zwei Seiten, ob er für mich passt. Er muss mich vom Stil und Inhalt her ansprechen, ich muss eine Verbindung aufbauen können. Ob ich den ganzen Text lese, bevor ich mit der Übersetzung beginne, hängt dann vom Genre ab. Wenn es ein sehr literarischer Text ist, ist es mir wichtig, mit dem Projekt vertraut zu sein. Bei anderen Texten, zum Beispiel bei Krimis, ist es besser für die Spannung und die Arbeitsenergie, wenn auch ich selbst noch nicht weiß, wie es endet. Wenn ich dann auf Seite 200 merke, dass da auf Seite 82 ein Hinweis gegeben wurde, den ich nicht gut genug herausgearbeitet habe, kann ich ja noch einmal zurückgehen und das nachholen.

DFR: Gibt es denn Genres, die Sie besonders gerne übersetzen oder umgekehrt, die Sie gar nicht übersetzen möchten?
EK: Ich habe noch nie einen blutrünstigen Thriller übersetzt und würde das auch nicht gern tun. Es gibt Übersetzerinnen und Übersetzer, die eher analytisch arbeiten, aber bei mir ist das immer auch ein stark emotionaler Vorgang, und so ein Text würde mich zu sehr runterziehen. Ansonsten bin ich froh, dass ich so eine breite Palette an Texten übersetzen darf. Kinder- Jugendbücher z.B. übertrage ich immer wieder sehr gern. Da habe ich das Gefühl, dass die finnischen Texte oft noch ungewöhnlicher und mutiger sind als die deutschen. Und häufig gilt das auch für die Erwachsenenliteratur – die Finnen trauen sich, sehr ehrlich zu sein und haben weniger Angst vor dem Traurigen. Eine traurige Geschichte zu lesen kann ja auch etwas Versöhnliches, Kathartisches haben.

DFR: Gibt es beim Übersetzen vom Finnischen ins Deutsche sprachtypische „Fallen“ oder „Probleme“?
EK: Naja, es gibt zum Beispiel Bereiche, in denen das Finnische reicher ist, etwa im Bereich der Naturvokabeln. Da schiebe ich dann einen Nebensatz ein, um die Bedeutung eines finnischen Wortes besser zu transportieren. Ein weiterer Punkt ist das Pronomen „hän“. Manchmal lassen die finnischen Autoren absichtlich offen, welches Geschlecht agiert. Im Deutschen muss man sich da mit „er“ oder „sie“ schneller festlegen – oder sehr genau überlegen, wie man damit umgeht. Im Finnischen wird außerdem viel mit dem Passiv gearbeitet. Das muss man im Deutschen vermeiden, weil es sonst auf Dauer befremdlich klingt. Das gleiche gilt für die Knappheit der Sätze. Wenn man die wortwörtlich ins Deutsche bringen würde, wäre das sehr abgehackt, weil Knappheit auf Deutsch eben etwas anders funktioniert als auf Finnisch. Da versuche ich dann subtil einen Tick mehr Lebendigkeit in den Text zu bringen, damit er auf Deutsch nicht hölzern wirkt. – Es gilt eben, auch zwischen den Kulturen zu übersetzen.

DFR: Was tun Sie, wenn Sie bei einer Übersetzung mal wirklich nicht weiter wissen?
EK: Oft hilft schon eine kurze Unterbrechung. Manchmal fällt mir die Lösung auch beim Aufwachen oder unter der Dusche ein. Manchmal frage ich muttersprachliche Freunde oder Kolleginnen, die vom Deutschen ins Finnische übersetzen. Wenn niemand helfen kann, frage ich die Autorin oder den Autor. Zu denen nehme ich ohnehin Kontakt auf, denn ich finde, es ist ein großer Vertrauensbeweis, die eigenen Texte jemand anderem zu überlassen. Besonders wichtig wird so ein Kontakt und die Rücksprache zum Beispiel bei Namensänderungen. In der Erwachsenensparte mache ich das so gut wie nie, die Leute reisen heutzutage so viel und wenn aus dem Kontext klar wird, dass die Mannerheimintie eine Straße ist, dann brauche ich sie nicht extra „Mannerheimstraße“ zu nennen. Bei Kindern aber ist das anders. Da gibt es eher mal Namen, die übersetzt oder geändert werden – weil sie vielleicht im Deutschen eine unerwünschte Assoziation erwecken oder weil sonst Nuancen verlorengehen. „Samu Sade“ zum Beispiel heißt dann „Ronny Regen“ oder das Meerschweinchen „Halonen“ aus „Emilian päiväkirja“ wird dann eben zum „Merkel-Meerschwein“, damit der Witz auch für deutsche Kinder funktioniert.

DFR: Wir sind ja ursprünglich in Kontakt gekommen, weil Sie uns darauf hinwiesen, dass es im deutschen und im finnischen Literaturbetrieb Unterschiede bei der Bearbeitung von Projekten gibt. Wie genau sehen die aus?
EK: Da ist es im Vergleich so, dass es in Deutschland eine stärkere Lektoratstradition gibt. Die Lektorinnen, oft sind es Frauen, achten auf die Wortwahl, eine stimmige Stilistik, kürzen Überflüssiges. Eigentlich sind sie richtige Hebammen, die mithelfen, das Projekt auf die Welt zu bringen. Auch in meinen Übersetzungen finden sich natürlich immer Dinge, die noch verbessert werden können. Am Ende steht dann eine finale Fassung, die man wirklich mit gutem Gefühl drucken kann. In Finnland ist das anders, da wird im Lektorat weniger am Text gearbeitet. Wenn mir also beim Übersetzen auffällt, dass der finnische Text auf der Stelle tritt, dann wende ich mich sofort an das deutsche Lektorat und frage nach, ob ich eher straffend übersetzen soll. Die vertrauen mir und sind obendrein dankbar, sonst müssten sie nämlich selbst die Straffung vornehmen – die übrigens auch den Autorinnen und Autoren kommuniziert wird. Aber auch hier würde ich Unterschiede machen: Bei literarischen Texten greife ich kaum ein und bin ihnen sehr „treu“. Gerade bei Unterhaltungslektüre ist es aber – nicht zuletzt mit Blick auf den Markt ­– wichtig, dass das Endprodukt wirklich gut funktioniert und nicht langweilt.

DFR: Zum Abschluss: Gibt es trotz der Vielzahl an Genres und Texten, die Sie schon bearbeitet haben, noch Wunschtexte, die Sie gerne ins Deutsche übertragen würden?
EK: Ich bin meist relativ ausgebucht, deshalb ist es heute eher selten, dass ich selbst nach Herzensprojekten suche und die proaktiv bei Verlagen anbiete. Das könnte auch unbefriedigend sein, aber die Aufträge, die auf mich zukommen, sind zum Glück in der Regel sehr schön. Ich werde zum Beispiel bald finnische Tiermärchen übersetzen, bei denen auch die hübschen Illustrationen übernommen werden. Das ist toll, denn Märchen habe ich bisher noch nie übersetzt. Ach, und sonst – mehr finnische Lyrik wäre schön! Aber insgesamt können wir Vielleserinnen und -leser in Deutschland uns durchaus glücklich schätzen, weil hierzulande wirklich viele ausländische Titel übersetzt werden und ein breites Angebot da ist. Es wird immer wieder neue finnische Bücher geben.

DFR: Haben Sie ganz großen Dank für das Gespräch und den Einblick in das Übersetzen!

Elina Kritzokat ist Halbfinnin und verbrachte die Sommer ihrer Kindheit im finnischen Mökki, das der Großvater selbst gebaut hatte. Der Weg zum Übersetzen war dennoch kein direkter: Nachdem Sie erst Germanistik und Kunstgeschichte studiert und bei Zeitungen und Verlagen gearbeitet hatte, geriet sie über Jan Wagners Literaturprojekt „Die Literaturschachtel“ ans Übersetzen aus dem Finnischen – und blieb dem Fach treu. Seit 2001 übersetzt sie eine breite Palette unterschiedlicher Genres und Textgattungen, vom Theaterstück über das Sachbuch bis hin zu Kinder- und Jugendliteratur oder Comics ist alles vertreten.

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