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Der Helsinki Effekt - Filmbesprechung - Kinostart 12. Juni 2025

Der international von der Kritik groß gefeierte Dokumentarfilm "Der Helsinki Effekt" des finnischen Regisseurs Arthur Franck wirft einen faszinierenden Blick auf die historischen KSZE-Verhandlungen in Helsinki 1975. Der Film ist ausschließlich aus Archivmaterialien gestaltet und wird erzählt von Schauspieler Bjarne Mädel. Mit einem fast schon satirischen Arrangement KI-generierter Vertonungen ehemaliger Geheimdokumente erweckt er die politischen Akteure jener Zeit ebenso skurril wie authentisch zum Leben.

Wir freuen uns sehr, dass uns Imke Staats schon vor dem deutschen Kinostart am 12. Juni eine Filmbesprechung zur Verfügung gestellt hat!

von Syysmyrsky , 03.06.2025 — 0 Kommentare

Von Imke Staats

Der Mann mit den buschigen Augenbrauen in der gemusterten Badehose lümmelt sich lässig hin, während er durch ein weißes Wählscheibentelefon telefoniert. Davor ein Aschenbecher, dahinter Glasbausteine - alles Indizien der 1970er-Jahre. Nicht alle werden sofort wissen, dass es sich bei dem Mann ohne Bodyshaming auf dem Filmplakat um Leonid Iljitsch Breznehw handelt, das damalige Staatsoberhaupt der ehemaligen Sowjetunion, und einer der wichtigsten Akteure in diesem Dokumentarfilm über die Konferenz für Sicherheit, Zusammenarbeit und Abrüstung in Europa, kurz KSZE, welche 1975 in Helsinki abgehalten wurde und durch die Unterschrift von Oberhäuptern von 35 Staaten in der Welt nach dem Kalten Krieg den Frieden und den Respekt vor den Menschenrechten sichern sollte.

Der Regisseur war damals ein Kind aus der finnischen Hauptstadt, das verwundert und etwas ahnungslos das Treiben um die Finlandiahalle beobachtete. Sein Dokumentarfilm ist keine trockene Faktensammlung von Geschichtsdaten, die wir auch woanders finden könnten, sondern eine unterhaltsame, auf exklusives Archivmaterial aus der "Finnish Film Foundation" basieredene subtile Satire. Oder eigentlich ein "Kommentarfilm", durch den fast kindlich-erbarmungslosen Blick auf das Sichtbare, der zusammen mit dem Wissen über die Konsequenzen scheinbar unbedeutende Momentaufnahmen als aufkeimende Verhängnisse entlarvt. Womit sich auch der Titel erklärt: Die Theorie des "Butterfly-Effekt" besagt nämlich, dass winzige Veränderungen an Details eines Vorganges sich später zu großer Wirkung entfalten können.

Das auf den ersten Blick langweilig scheinende Thema der sich ziehenden Konferenzen, die am ersten August 1975 mit der von allen unterzeichneten Schlussakte endeten, zeigt er unterhaltsam, spannend und erhellend. Und das sogar für politisch gänzlich Desinteressierte. Das beobachtend, was die finnischen Kameraleute damals eingefangen und großenteils nicht verwendet haben, lässt er uns in diesen Geschichtsakt einsteigen: wir sehen rauchende Männer in weiten Anzügen, mit breiten Krawatten, Flugzeuge, aus denen Präsidenten wie Gregory Ford und seine Frau Betty aus den USA strahlend die Gangway herunter laufen, große schwarze Limousinen, die der Reihe nach vorfahren, von einem eifrigen Gehilfen geöffnet werden, und jedesmal steigt ein Vertreter eines Landes aus. Da hier aus der finnischen Perspektive erzählt wird, sehen wir häufig den "großen Zampano Finnlands", Urho Kekkonen, den präsidialen Conferencier der Veranstaltung.

Ergänzend zu seinen trockenen, manchmal flapsigen Kommentaren aus dem  Off legte Franck einigen Staatsvertretern Texte (alle als authentisch verifiziert) in den Mund, die er mithilfe von KI rekonstruiert hatte. Das macht die Sache lebendig. Besonders viel hatte der Aussenminister der USA, Henry Kissinger, zu sagen. Strukturiert ist das Ganze nicht strikt chronologisch, sondern durch 12 Kapitel, die jeweils eine Besonderheit des Polit-Theaters aufgreifen, wie etwa das neunte: "Sie können es auf Suaheli schreiben", in welchem eben jene Zweifel Kissingers an irgendeiner politischen Wirkung der KSZE beleuchtet werden.

Durch bisher unveröffentlichtes Footage wie Detailaufnahmen, mitgeschnittene Telefonate und unbeobachtete Gespräche von TV-Moderatoren zwischen ihren Einsätzen erfahren wir viel von dem, was hinter den Kulissen ablief, nämlich gemeinsame Abendessen mit allen, Basketballspiele der Nationen, Breznehw beim Baden und Todesverwünschungen. Hier ging es ausgelassen, kommunikativ und manchmal fast kriminell zu. Auf der politischen Bühne aber bemühte man sich um Contenance, statt sich gegenseitig ins Wort zu fallen und provokativ zu beleidigen, selbst bei deutlichen Divergenzen, wie sie z.B. zwischen Zypern und der Türkei bestanden. Man ließ sich ausreden, auch bei einschläfernden Reden (der Film zeigt es), im Zweifelsfall verließ man vorher den Raum, um nicht herausgefordert zu werden.

Daran zeigt sich, verglichen mit heute, ein ganz anderer diplomatischer Umgang. Und, auch anders als heute, sehen wir keine einzige StaatsvertreterIn. Wie bei einem Krimi folgen wir dem Spannungsbogen bis zur seiner geschichtlichen Auflösung. Wir verstehen ein Stück mehr, warum die Welt so ist, wie sie ist. Die deutsche Erzählstimme gibt der Schauspieler Bjarne Mädel.

Dokumentarfilm
Finnland, Deutschland, Norwegen 2025
Länge: 89 min
Ein Film von Arthur Franck
Kinostart: 12.06.2025

Fotos: Rise And Sunshine Cinema [1]  |  Alma Media [2]  |  Yle [3+4]

Weiterführende Links zum Film und Kinostarts

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