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Fennistik: ein vielfältiges und international vernetzendes Studium

Fennistik ist das Studium, in dem auf hohem fachlichen Niveau die finnische Sprache, seine Sprach- und Literaturwissenschaft erforscht werden. Zu dem Studium gehört auch die internationale fennistische Herbstschule, die im Oktober 2025 zum neunten Mal stattfand. Die Herbstschule (fi. 'syyskoulu') wurde dieses Jahr von dem Institut für Fennistik und Skandinavistik an der Universität Greifswald ausgerichtet.

von Saara Baumann , 14.12.2025 — 1 Kommentar

Fennistische Herbstschule 2025 in Greifswald

»Vielleicht kann die finnische Sprache wie ein zweites Betriebssystem in unserem Kopf fungieren. Mit seiner Hilfe können wir Dinge auf neue Weise und aus einer anderen Perspektive betrachten. Die finnische Sprache kann die Kreativität befördern.«
Kai Sauer, Botschafter von Finnland in Deutschland
Aus dem Grußwort zur Greifswalder Herbstschule 2025

Dass Sprachen einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Gedanken haben, wird in der Linguistik schon länger erforscht. Wie Kai Sauer in seinem Grußwort erwähnt, hat auch die finnische Sprache mit seinen vielen Besonderheiten das Potential, unser Denken zu bereichern. Studierende der Fennistik beginnen das Studium aus unterschiedlichen Gründen: es kann die Rockmusik sein, die weite und friedvolle Landschaft, die Faszination für die Kultur oder auch die Zuneigung zu den Mumins der finnlandschwedischen Schriftstellerin Tove Jansson. Das verbindende Element zwischen all den persönlichen Motivationen ist die finnische Sprache: Auf Bachelorniveau wird die Sprache sowohl praktisch als auch theoretisch erlernt sowie die Kultur und Literatur Finnlands erforscht. Anschließend kann man sein Studium z.B. im integrierten Masterstudiengang Sprachliche Vielfalt an der Universität Greifswald fortsetzen und zum einen die finnische Philologie vertiefen und zum anderen auch Seminare in Übersetzungswissenschaften und anderen nordeuropäischen Sprachen belegen. Wer bisher eine andere Sprache oder Linguistik B.A. studiert hat, kann dennoch im Master Sprachliche Vielfalt Finnisch als Basisphilologie belegen.

Finnische Herbstschulen: Internationaler Austausch vor Ort 





Die jährlich stattfindende syyskoulu (dt. Herbstschule) ist ein Höhepunkt für Studierende, Lehrende und Forschende der Fennistik: Vier Tage kurz werden Bachelor- und Masterarbeiten, Promotionsprojekte und weitere Forschungen vorgestellt und Workshops veranstaltet. Es ist eine Zusammenkunft, bei der Forschungsinteressen auf hohem wissenschaftlichem Niveau präsentiert werden und welche Raum für regen internationalen Austausch schafft. Studierende erhalten dabei schon früh Gelegenheit, vor einem größeren und dennoch familiären Publikum Vorträge auf Finnisch zu halten und somit ihre eigenen Sprachfertigkeiten zu trainieren. Die Herbstschule wird seit 2018 reihum in Deutschland, Polen und Tschechien durchgeführt. Zum Konzept haben die Universitäten Greifswald, Köln, Prag und Warschau beigetragen. Vom 28. November bis 02. Oktober 2025 konnte die Greifswalder Fennistik Teilnehmende aus den genannten Städten sowie aus Helsinki, Vilnius und Berlin begrüßen. Das Thema Perinteet uudessa valossa (dt. Traditionen im neuen Licht) wurde auf vielfältige und spannende Weise umgesetzt. Nachfolgender Einblick soll aufzeigen, welche Fragen Fennisten und Fennistinnen in ihrem (Universitäts-)Alltag und während der Herbstschule beschäftigen. 

Von der Dichtung zum Film – Kaleidoskop der Themen





Wer sich für die Zeit der Nationalromantik in Finnland interessiert, könnte bereits dem Namen Carl Axel Gottlund begegnet sein. Einblicke in Gottlunds Gedichtschöpfungen – insbesondere in das 1840 erschienene Runola – bot ein Vortrag eines Doktoranden, der Gottlunds Werke ferner in Bezug zur mittelalterlichen Liebesdichtung Dantes setzte. Einer ganz anderen Thematik und Zeitepoche widmete sich eine Doktorarbeit, die umweltpolitische Positionen in moderner fantastischer Literatur untersucht. Andere Teilnehmende richteten den Blick auf feministische Aspekte in zeitgenössischer Literatur. Unter Einbezug von Literaturanalysen wurde gefragt, inwiefern die #MeToo-Bewegung einen Einfluss darauf hatte, wie in zeitgenössischer finnischer Literatur von sexualisierter Gewalt erzählt wird. Nicht nur finnische Literatur war bei der Herbstschule vertreten: Die Novellensammlung Lyssnerskan (dt. Die Zuhörerin) der finnlandschwedischen Autorin Tove Jansson (erschienen 1971) wurde von einer Vortragenden hinsichtlich der Schilderung des Erwachsenwerdens in den einzelnen Erzählungen untersucht. Die Kurzgeschichten befassen sich mit Alltagsthemen wie Beobachtungen in der Natur, dem Älterwerden und insbesondere der Einsamkeit. Auch filmisch ist Finnland zu erforschen, wie ein Vortrag zu den verschiedenen Verfilmungen des Kalevala zeigte. Die Aktualität des Vortrages zeigt sich auch im Hinblick auf die Verfilmung der Geschichte von Kullervo, die 2026 in die finnischen Kinos kommen soll.
Ein großes Forschungsfeld bietet die finnische Sprachwissenschaft. Ein spannender Workshop – insbesondere für Studierende – fand direkt am ersten Tag statt: das finnische Adverb ihan ‚ganz, ganz und gar; durchaus; genau; völlig‘, dessen komplexer Gebrauch Finnischlernende von Muttersprachlern unterscheiden kann, wurde hinsichtlich seiner vier verschiedenen Bedeutungen verständlich gemacht und anschließend in Gruppen geübt. Ein ebenso wichtiger Workshop widmete sich der Korpuslinguistik und zeigte wie man Textsammlungen für eigene Forschungen anwenden kann. Zu den sprachwissenschaftlichen Doktorarbeiten, die in diesem Jahr vorgestellt wurden, zählten unter anderem eine Forschung über den historischen Gebrauch des finnischen Verbes tahtoa (dt. wollen) sowie eine Arbeit zur Verwendung des Präfixes suur- ‚groß‘ und des Adjektives pikku ‚klein‘ in der Wortbildung. Die finnische Sprache hält überdies interessante Lehnwörter bereit, wie ein Vortrag über das deutsche Wort Kitsch (fi. kitsch oder kitsi) und seiner Übernahme in die finnische Sprache zeigte. 

Finnlands Geschichte und die eigene Zukunft





Finnland aus historischer Perspektive ist ein weiteres Feld, mit dem sich Studierende der Fennistik auseinandersetzen können. In einem Vortrag gingen die Teilnehmenden auf eine Reise nach Lappland und die Vortragende gab Einblicke in ihre Forschungen zu Reiseberichten aus dem 17. Jahrhundert. Eine neue Perspektive auf die finnische Königswahl von 1918 begründete ein Vortrag, der nicht die Königswahl des Landgrafen Friedrich Karl von Hessen selbst, sondern die Debatte in der SPD-Parteizeitschrift Vorwärts zum Thema hatte. Nicht nur dieser Vortrag zeigt, dass innerhalb der Fennistik auch zwischenstaatliche Beziehungen und Diskurse in den Fokus genommen werden können. 
Die finnische Philologie hält viele Möglichkeiten für das Berufsleben bereit: Zwei Vorträge zeigten, dass auch die juristische und diplomatische Sprachverwendung eine wichtige Bedeutung interessante Forschungsfelder sin. Das Studium kann den Weg vorbereiten, auch selbst eine diplomatische Laufbahn einzuschlagen. Andere Absolventen der Fennistik wenden sich den Übersetzungswissenschaften zu oder machen einen aufbauenden Abschluss als Sprachmittler.
Die internationale Herbstschule ließ die Vielfalt an Forschungsmöglichkeiten sichtbar werden. Die finnische Sprache ist dabei das zentrale und verbindende Element. Nächstes Jahr wird die Herbstschule in Prag ausgerichtet und feiert ihr 10-jähriges Bestehen. Im Mai 2026 findet außerdem ein Blockseminar der Finnisch-Lehrenden im deutschsprachigen Raum (SuoSa) zum Thema „Nachhaltig Finnisch“ an der Universität Greifswald statt.

Fennistik: Ein Studium und eine Lebensart





Wenn man Fennistik studiert, taucht man tief in Kultur(austausch) und Sprache ein, vernetzt sich über Unis und Ländergrenzen hinweg und genießt auch freie Abende mit Lesungen von finnischen Autoren und Autorinnen. Die regelmäßigen Buchvorstellungen sind für mich persönlich ein weiteres Highlight: Man kann sich einfach mal zurücklehnen, lauschen, nachdenken. Nachdem bereits im Mai 2025 der zweimalige Finlandiapreisgewinner Pajtim Statovci in Greifswald gastierte und sich viel Zeit für die Studierenden nahm, hatten wir die Freude, einige Monate später Ina Mutikainen in unserem Institut begrüßen zu dürfen. Die Autorin stellte ihren ein Jahr zuvor erschienenen Roman Unohdus (dt. Vergessen) vor, der von einer fiktiven Gedächtnisstörung – der dissoziativen Hypodemenz – erzählt. Im Rahmen eines Seminars hatten Studierende aus dem Masterstudiengang Sprachliche Vielfalt die Möglichkeit, am Beispiel dieses Romans erste belletristische Übersetzungsversuche zu unternehmen und so erst eine deutschsprachige Lesung zu ermöglichen.
Es gibt verschiedene Meinungen darüber, wie sehr Sprachen die eigene Wahrnehmung leiten. Dass sie einen kleinen Kosmos zum Entdecken bereithalten, ist jedoch gewiss – für das Finnische gilt dies ganz besonders.

Kommentare

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Syysmyrsky 14. Dezember 2025 15:02

Ein schöner erster Beitrag, liebe Saara! Und willkommen an Bord... :-)

Fail GraphicBitte überprüfe deine Angaben. Vielen Dank.

Success RocketHat geklappt. Vielen Dank.

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